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06.03.2023 Humangenetik

Bei spinaler Muskelatrophie schützt eine bestimmte DNA-Abfolge vor Symptomen

Langezogene DNA-Stränge eines Patienten wurden auf eine sehr dünne Glasscheibe aufgebracht (molecular combing) und mit fluoreszierenden Sonden angefärbt. Die grünen Banden geben die Kopienzahl des Makrosatelliten DXZ4 an, Bild: Eike Strathmann
Langezogene DNA-Stränge eines Patienten wurden auf eine sehr dünne Glasscheibe aufgebracht (molecular combing) und mit fluoreszierenden Sonden angefärbt. Die grünen Banden geben die Kopienzahl des Makrosatelliten DXZ4 an, Bild: Eike Strathmann

Das Protein Plastin 3 schützt in erhöhter Menge vor der Ausprägung einer spinalen Muskelatrophie, zu hohe Mengen gehen jedoch mit bestimmten Krebserkrankungen einher / Veröffentlichung im „American Journal of Human Genetics“

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler derUniversität zu Köln haben gezeigt, dass eine erhöhte Menge des Proteins Plastin 3 in Zellen dazu führen kann, dass Frauen symptomfrei bleiben, obwohl sie die genetische Veränderung für eine spinale Muskelatrophie, eine Form von Muskelschwund, aufweisen.Die Informationen für Plastin 3 werden im menschlichen Genom auf dem X-Chromosom gespeichert, also dem weiblichen Geschlechtschromosom. Während Männer ein X- und das Y-Chromosom haben, haben Frauen zwei X-Chromosomen. Für die Funktion von Zellen wird jedoch nur ein X-Chromosom benötigt, sodass während der Entwicklung zufällig eines der beiden Chromosomen inaktiviert wird. Jedoch können bis zu 15% der Gene, die auf dem inaktivierten X-Chromosom liegen, unter natürlichen Umständen der X-chromosomale Inaktivierung entkommen und beide Kopien des Gens können abgelesen werden.

Ein Forschungsteam um Professorin Dr. Brunhilde Wirth am Institut für Humangenetik der Uniklinik Köln und dem Zentrum für Molekulare Medizin Köln (CMMC) hat nun entdeckt, dass auch Plastin 3 der X-chromosomalen Inaktivierung entkommen kann, wenn ein bestimmter DNA-Abschnitt auf dem X-Chromosom (der sogenannte DXZ4 Makrosatellit), mehr als 70 sich wiederholende Einheiten umfasst.  Die Folge:  Plastin 3 wird von beiden X-Chromosomen abgelesen. Frauen, die gleichzeitig die genetische Voraussetzung für die Entwicklung einer spinalen Muskelatrophie und erhöhte Plastin 3 Mengen produzieren, bleiben symptomfrei. Die Studie „Epigenetic regulation of plastin 3 expression by the macrosatellite DXZ4 and the transcriptional regulator CHD4“ wurde nun in der renommierten Fachzeitschrift American Journal of Human Genetics veröffentlicht.

Das Forschungsteam nutzte das sogenannte „molecular combing“, um DNA aus Blutproben von Patientinnen und Patienten zu untersuchen. Bei diesem Verfahren vergleichen die Wissenschaftler den DXZ4 DNA-Bereich bei Frauen, die symptomfrei blieben, mit Frauen und Männern mit spinaler Muskelatrophie sowie gesunden Kontrollpersonen. „Weiblichen Personen, die eine erhöhte Menge an Plastin 3 aufwiesen, zeigten auf einem X-Chromosom zwar die bekannte sich wiederholende DNA-Abfolge, jedoch waren es im Schnitt viel mehr Wiederholungen als üblich“, sagt Dr. Eike Strathmann, Erstautor der Studie. Zudem wiesen die Wissenschaftler in weiteren Experimenten nach, dass Motoneuronen von Frauen, die keine Symptome hatten, doppelt so viel Plastin 3 produzierten, als ihre betroffenen männlichen Geschwister. Die besonders häufig sich wiederholende DNA-Abfolge stört zum Teil die Inaktivierung des X-Chromosoms, dadurch entkommt das Plastin 3 Gen der X-chromosomalen Inaktivierung. Dies wiederum schützt die Frauen vor den Symptomen der spinalen Muskelatrophie.

Zusätzlich zu den sich wiederholenden DNA-Einheiten hat Strathmann einen weiteren Proteinkomplex identifiziert, der die Produktion von Plastin 3 sowohl bei Frauen als auch bei Männern reguliert. „Die Regulation von Plastin 3 ist daher so interessant, weil der Überschuss neben der schützenden Wirkung bei spinaler Muskelatrophie auch bei verschiedenen Krebsarten beobachtet wird. In diesen Fällen wird dies allerdings mit einer schlechteren Prognose assoziiert“, sagt Professorin Wirth.

Sie ist zuversichtlich, dass künftig die Länge der DXZ4 DNA-Abfolge, die die X-chromosomale Inaktivierung verändert, mit speziellen Techniken (long-read Sequenzierung) und verbesserten Analyseverfahren gezielt diagnostisch sowie für Vorhersagen eingesetzt werden kann.

Publikation:

Strathmann EA, Hölker I, Tschernoster N, Hosseinibarkooie S, Come J, Martinat C, Altmüller J, Wirth B. Epigenetic regulation of Plastin 3 expression by the macrosatellite DXZ4 and the transcriptional regulator CHD4. American Journal of Human Genetics
https://doi.org/10.1016/j.ajhg.2023.02.004